Was ist die perfekte Labordiagnostik: Blut? Urin? Haare?

Autor:

Jörg Bort

Kategorie:

Beitrag vom:

10.06.2024

Teile diesen Beitrag:

Einführung

Nach meiner Ansicht gibt es DIE perfekte Labordiagnostik per se nicht. Wir müssen uns klar machen, dass die Labordiagnostik immer nur einen Ausschnitt der „Wahrheit“ darstellt und nie in der Lage ist, alle Vorgänge im Körper vollumfänglich und tiefgreifend darzustellen – auch wenn dies gerne anders vermittelt wird.

Gleichzeitig bietet die moderne Labordiagnostik so viele Möglichkeiten der detaillierten, tiefgreifenden Analyse des Körpers, dass man sich als Therapeut auch in den unzähligen Laborparametern verlieren kann.

Die Labordiagnostik muss also genau diesem Spagat gerecht werden. Sie muss entscheidende (nicht alle!) Gesundheits- und Krankheitsprozesse zu überschaubaren Kosten sichtbar machen, aus denen effektive Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können, und den Therapieverlauf verlässlich sowie nachvollziehbar darstellen.

Aus diesem Grund verwende ich am liebsten eine Kombination aus Blutanalyse und Haaranalyse. Sicher, je nach medizinischer Fragestellung können auch noch Stuhl-, Urin- und/oder Speichelanalysen ergänzt werden. In der Summe decken Blut und Haare für mich allerdings sehr viele Bereiche vollumfänglich ab.

In der Kombination aus Blut- und Haaranalyse ergeben sich nämlich sowohl Einblicke in die akuten wie auch chronischen Gesundheits- und Krankheitsprozesse als auch deren effektive Behandlung.

Auch wenn Blutanalysen in der klassischen Medizin etabliert sind, wird deren Potential selten durch den Arzt ausgeschöpft, so dass viele meiner Patienten mit wenig aussagekräftigen Blutanalysen bei mir vorstellig werden. Dies liegt aber nicht an den Möglichkeiten der Blutanalysen, sondern an der Auswahl der konkreten Blutparameter. Bei deren passender Zusammenstellung kann auch die Blutanalyse sinnvolle Einblicke in den Stoffwechsel bieten. Ergänzt mit einer Haaranalyse wird das Bild dann vollständig.

Was ist der Unterschied von Blut und Haaren?

Das Blut ist für den Transport aller lebensnotwendiger Stoffe verantwortlich und kann daher allerdings auch kurzzeitigen Schwankungen unterworfen sein. So kann es z.B. einen Unterschied machen, ob die Blutanalyse am Morgen oder am Nachmittag abgenommen wird, ob Sie Stress hatten vor der Blutanalyse oder ob Sie die Tage vor der Abnahme einen anderen Lebensstil hatten als gewöhnlich. Und gerade Mineralstoffe und Spurenelemente werden im Blut eher in sehr engen Grenzen gehalten, da es sonst zu lebensbedrohlichen Entgleisungen kommen kann.

Daher muss ich mir im Vorfeld der Labordiagnostik immer überlegen, welche konkrete Frage ich beantwortet haben möchte: Soll der Zustand eines Patienten in der Notaufnahme erfasst werden? Dann macht es Sinn eine mögliche, lebensbedrohliche Entgleisung seiner Mineralien im Blut zu messen. Soll die Mineralienversorgung eines Patienten in der Frage nach einem erhöhten Bedarf oder Mangelzustand beantwortet werden? Dann eignet sich nach meiner Erfahrung die Messung der Mineralstoffe im Blut nicht sehr gut.

Blut kann also eher als ein Transportmedium, anstatt einem Speichermedium, für Mineralstoffe betrachtet werden.

Anders bei Haaranalysen: Das Haargewebe ermöglicht einen Einblick zu Substanzen, welche im Gewebe abgelagert wurden. Damit kann es meine Frage nach der Versorgung mit Mineralstoffen und Spurenelementen zielgerichteter beantworten.

Ein weiterer wichtiger Punkt zur eingeschränkten Aussagekraft von Blutanalysen, insbesondere bei der Analyse von Mineralien und Spurenelementen, ist die unterschiedliche Versorgungspriorität der Organsysteme. Nach der „Triage-Theorie“, des renommierten US-amerikanischen Professors für Biochemie und Molekular-Biologie Bruce N Ames, versorgt der Körper die wichtigsten Organe wie Gehirn, Herz, Hoden und diverse Drüsen bis zum Schluss mit entsprechenden Mineralstoffen bzw. Spurenelementen, während anderen Organe bzw. Gewebe längst an Nährstoffen verarmt sein können.

Diese beiden Umstände (die Versorgungspriorität und der Transport lebensnotwendiger Substanzen durch das Blut) führen dazu, dass nach meiner Erfahrung mittels einer Haaranalyse der Mineralien- und Spurenelemente-Haushalt wesentlich besser bestimmt werden kann.

Aus diesen Gründen ist auch nachvollziehbar, dass sich in den durchgeführten Haaranalysen regelmäßig Unterversorgungen an wichtigen Mineralstoffen finden, während die Blutwerte keine entsprechenden Auffälligkeiten gezeigt haben.

Haaranalysen ermöglichen Einblicke in die zelluläre Ebene

Bei fast allen Beschwerden meiner Patienten spielen in gewisser Weise auch Hormone eine entscheidende Rolle. Seien es die Hormone der Schilddrüse, die Stresshormone oder auch die weiblichen bzw. männlichen Hormone. Ihnen allen liegt zu Grunde, dass diese Hormone in der Zelle wirken müssen, nicht im Blut.

Dies führt sehr häufig zu dem Ergebnis, dass z.B. Frauen mit schilddrüsentypischen Beschwerden zum Arzt gehen, die Hormone messen lassen und es hier aber keine Auffälligkeiten gibt, da die Werte im Blut zwar im Normbereich liegen, die Hormone aber häufig nicht adäquat in die Zelle gelangen. So ist laut Arzt mit der Schilddrüse „alles in Ordnung“, weil die Blutwerte ja „stimmen“, während trotzdem Beschwerden einer Schilddrüsenfehlfunktion vorliegen. Genau hier zeigt sich der Nutzen der Haaranalyse: Sie ermöglicht aufgrund ihrer Einblicke in die zelluläre Ebene (in Kombination mit einer Blutanalyse) eine wesentlich bessere Beurteilung der Beschwerdeursachen, als dies häufig mit einer isolierten Blutanalyse möglich ist.

Haaranalysen bieten einen längeren Betrachtungszeitraum

In gewisser Hinsicht stellt eine Blutanalyse eine Momentaufnahme des aktuellen Zustands dar. Sofern dies auch der passende Betrachtungszeitraum für meine gewünschte Diagnostik ist – Sie erinnern sich an den dargelegten Unterschied zwischen akutem Notfall und langwierigem Krankheitsprozess – dann ist die Blutanalyse das optimale Untersuchungsmedium.

Bei langwierigen oder chronischen Beschwerden ist allerdings auch ein entsprechend längerfristiger Zeitraum, der von der Diagnostik abgedeckt wird, von großer Bedeutung.

Auch hier zeigt sich der Nutzen einer Haaranalyse. Unsere Haare wachsen im Durchschnitt ca. 1 cm pro Monat. In den meisten Fällen wird für die Haaranalyse eine ca. 3cm lange Haarprobe ins Labor geschickt. Die Ergebnisse liefern damit einen Einblick in die vergangenen drei Monate des Stoffwechselgeschehens.

Weiterer Vorteil der Haaranalyse: Eventuelle Störfaktoren, welche sich unmittelbar auf eine Blutanalyse auswirken würden, wie Stress, Schlafmangel, kurzfristig veränderte Essens- und Lebensgewohnheiten werden durch den mehrwöchigen Betrachtungszeitraum ausgeglichen.

Und die Kosten?

Zugegeben, eine umfassende Labordiagnostik aus Blut kann ihren Preis haben. Gerade moderne, funktionelle Laborparameter oder auch Vitamine, Hormone, Mitochondrienmarker und dergleichen, gehören zu den hochpreisigen Laborparametern.

Nicht selten erlebe ich allerdings in Bezug auf die Labordiagnostik zwei Extremen. Während die klassische Blutdiagnostik beim Hausarzt kaum relevante Werte beinhaltet, veranlassen manche Ganzheitsmediziner umfassendste Analysen aus Blut, Stuhl und Urin für mehrere Tausend Euro zum Start der Behandlung. Gerade die Haaranalyse bietet aufgrund ihrer umfangreichen Einblicke ein ausgesprochen gutes Preis-Leistungsverhältnis. Bei richtiger Interpretation der Haaranalyse können viele eher hochpreisige Laborparameter aus dem Blut eingespart werden – ohne an Aussagekraft der Diagnostik zu verlieren. Ganz im Gegenteil. Nach meiner Ansicht kann die Haaranalyse sogar Antworten liefern, welche bislang in dieser Form mit Blutanalysen nicht möglich sind.

Fazit

DIE perfekte Labordiagnostik gibt es nicht. Allerdings kann durch eine sinnvolle Kombination von verschiedenen Untersuchungsverfahren eine sehr gute Einsicht in die zentralen Gesundheits- und Krankheitsprozesse erzielt werden. Für mich empfiehlt sich besonders die Kombination von Blut- und Haaranalyse für sehr tiefgreifende und umfassende Einblicke.

Verwandte Beiträge